Dokumente der Vergangenheit: Leise Klänge werden laut - Komponistinnen in Berlin Die Musik von Frauen ist ein weithin unbeschriebenes Blatt, oder fallen jemandem mehr als zwei, drei Namen von Komponistinnen ein? Komponierende Frauen sind aber keine Seltenheit - das Lexikon über komponierende Frauen führt über 5000 Namen auf. Aber Frauen erhalten weit weniger Gelegenheit als ihre männliche Kollegen, ihre Werke aufzuführen und rücken deshalb kaum in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. Ernste Musik ist heutzutage überwiegend Auftragskunst. Große Symphonien, Werke, die größeren Anklang finden könnten, werden bei den Künstlerinnen nur selten in Auftrag gegeben - bekannte - acht- bis zehnminütige Kammermusikstücke sind der Bewegungsradius, den man den heutigen Komponistinnen in der Regel zugesteht. Frauen haben sich in allen künstlerischen Berufen stets gegen männliche Konkurrenz behaupten müssen. Es gibt jedoch auch versuche, sich gegen Diskriminierungen zu wehren, wie zum Beispiel der Zusammenschluss von Malerinnen, Dichterinnen, Musikerinnen und anderen Künstlerinnen in der GEDOK (Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreunde), in der auch viele Komponistinnen vertreten sind. 1978 haben Musikwissenschaftlerinnen und Musikerinnen den Verein "Musikfrauen Berlin" aus dem Bedürfnis heraus gegründet, Komponistinnen bekannt zu machen. Es geht ihnen darum, vergessene und verschollene Werke neu zu entdecken und Versäumtes nachzuholen. In ausdauernder Forschungsarbeit und mit zahlreichen Konzerten ist es schließlich gelungen, zu Unrecht vergessene und unbekannte Werke von Frauen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. In erster Linie werden aber zeitgenössische Komponistinnen gefördert. Vor einigen Jahren hat die Arbeitsgruppe des "Musikfrauen e.V. Berlin" mit Unterstützung des Senators für Kulturelle Angelegenheiten und der Hochschule der Künste verschiedene Projekte durchgeführt. 1982 veranstalteten sie das "Erste internationale Komponistinnentreffen an der HdK Berlin", 1983 und 1984 fanden Veranstaltungen zu den Themen "Komponistinnen im Dritten Reich" und "Neue Musik aus Lateinamerika" statt. In Zusammenarbeit mit den Kunstämtern Schöneberg folgte 1985 ein treffen zum Thema "Komponistinnen des 19. und 20. Jahrhunderts". besondere Berücksichtigung fanden wegen des Standortes des Vereins die Musik von Komponistinnen mit Berührungspunkten zu Berlin. Die "Musikfrauen" haben es geschafft, das Bewußtsein von Interpreten und Publikum dafür zu schärfen, dass komponierende Frauen keine Seltenheit waren und bis heute sind. Allerdings ist die Bereitschaft öffentlicher Institutionen, wie bei den großen deutschen Orchestern oder den Berliner Opern, Werke von Komponistinnen aufzuführen, noch immer äußerst gering. Am ehesten sind die Rundfunksender dazu bereit, dieses Neuland zu erschließen. So hat zum Beispiel der SFB 1987 die Konzerte der "Musikfrauen e.V." mitgeschnitten. Im allgemeinen aber werden bei der Programmgestaltung im Rundfunk überwiegend Werke männlicher Komponisten ausgewählt. Dies liegt auch daran, dass es viel weniger Orchesterwerke als Kammermusik von Frauen gibt - eben weil sie weniger Aufträge bekommen. Die meist zuständigen Herren ignorieren noch allzu gern, dass Frauen auch komponieren können. Werke von Frauen werden viel seltener verlegt. Vorurteile in einem überwiegend von Männern beherrschten Markt erschweren den Komponistinnen den Zugang zur Veröffentlichung ihrer Arbeiten. So kommt es auch darauf an, dass Frauen in die leitenden Positionen bei Verlagen, den Intendanzen der Opernhäuser und Orchester, der Medien- und Musikbranche gelangen und dann auch ihre Geschlechtsgenossinnen fördern. Ebenso muss die Musikerziehung breiter angelegt werden. Mädchen spielen nach wie vor häufiger die traditionellen Instrumente wie Geige, Klavier und Flöte und werden nur selten als Blechblasinstrumente und Schlagzeug herangeführt. Nur wenige junge Frauen entscheiden sich für einen Beruf als Dirigentin, Korrepetitorin oder Komponistin. Wie in vielen "Männerberufen" zwingt auch hier der starke Konkurrenzdruck die Frauen - im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen - zu überdurchschnittlichen Leistungen, um wenigstens halbwegs Anerkennung zu finden. Für die Komponistinnen hat sich zudem in den letzten Jahren das Durchsetzungsproblem mit der fortschreitenden Technologie im Musikbereich noch verstärkt. Mit der Entwicklung von Computern und digitalen Synthesizern hat sich auch das Arbeitsfeld der Komponistinnen verändert. Mit einem computergesteuerten Instrument zu komponieren, bedeutet handwerkliche, technische Erfahrung zu sammeln, zu programmieren, auszuprobieren, zu entdecken und zu erfinden. So sind Komponistin und Interpretin oft eine Person. Da die Begriffe "Frau" und "Technik" häufig immer noch als unvereinbare Gegensätze gelten - auch bei den Frauen selbst -, wird den Musikerinnen der Zugang zu dieser Kompositionstechnik erschwert. Doch gerade auf dem historisch unbelastete Feld der Frauen als Komponistinnen liegt eine Chance, auf einer anderen Ebene neu anzufangen. Die Komposition mit computergesteuerten Instrumenten ist eine kreative Arbeit, die Komponistinnen unabhängig macht von den starren Strukturen großer Orchester mit festgesetzten Probezeiten und Besetzungen. Zusammen mit den Möglichkeiten, die die neue Technik besonders den Frauen erschließt, und den förderungswilligen Institutionen, die spezielle Frauenmusikfestivals ermöglichen, blicken Komponistinnen heute optimistischer in die Zukunft als noch vor 20 Jahren. Dennoch bleibt noch viel für die Frauen des Vereins und die Komponistinnen zu tun, bis das Musikleben von der Ausbildung bis hin zu Aufführungsquoten für weibliche Musikschaffende akzeptable Bedingungen aufweist. Die Arbeitsgruppe der Musikfrauen e.V. hofft, mit dem Projekt "Komponistinnen in Berlin" einen Beitrag zur weiteren Integration von Komponistinnen in die musikalische Öffentlichkeit zu leisten.
Autorin: Claudia
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