Dokumente der Vergangenheit: 
Artikel "Echt ätzend - Chemie im Haushalt" aus der Zeitschrift 
"Im Blickpunkt der Berlinerin", Ausgabe Nr. 4, April 1985
   

Echt ätzend - Chemie im Haushalt

Schon von unseren Müttern hörten wir, dass es in der Wohnung sauber zu sein hat. Ein ordentlicher Mensch schrubbt und wischt und putzt und...Die Zeiten, in denen Frauen noch auf den Knien den Fußboden mühsam scheuerten, sind endgültig vorbei. heute haben wir für jeden Schmutzt ein eigenes Mittelchen, welches einfach und schnell in der Handhabung ohne größeren Zeitaufwand und ohne große Anstrengung jedes Schmutzproblem rasch beseitigt. In Sekunden ist alles wieder in Ordnung, ohne lange Mühen und Qualen. Die Familie ist zufrieden; das Lob der Hausfrau gewiß.

Aber damit nicht genug. In der Werbung heißt die Losung: Noch reiner, noch sauberer und blanker, aprillfrischer und duftiger. Reinlichkeit allein ist längst ein alter Hut. restlos keimfrei, lautet die Devise. Dies ist aber gar nicht möglich, weil wir ohnehin überall mit Mikroorganismen in Berührung kommen. 

Die Chemie dringt immer undurchschaubarer in unser Leben ein. In den letzten Jahren hat sich der Verbrauch von Reinigungs- und Pflegemitteln für den Haushalt drastisch erhöht. Reinigungsmittel nehmen ein Viertel des chemischen Marktes ein, das sind sechs Kilo putz- und Reinigungsmittel pro Kopf und Jahr in der BRD und Westberlin. dabei drängen immer neue Mittel auf den Markt; immer neuer Dreck wird entdeckt, der angeblich einer speziellen Reinigung bedarf. Badezimmer- und Küchenschmutz, Schimmel, Backofen- und Kachelschmutz, Staub auf Holz, Kunststoff oder Papier, an den Wänden und auf dem Fußboden sowie auf empfindlichen Flächen. Kurzum Schmutz in allen Größen, Formen und Farben - Dreck aller Orten, und wer darin nicht umkommen will, braucht...

Bei so viel Schmutz, den wir ja nicht ahnen konnten, benötigen wir natürlich ein Riesenaufgebot an "guten Geistern", die mit chemisch-ernergischer Kraft gegen das Übel zu Felde ziehen - so versucht es uns jedenfalls die Werbung einzureden. Noch in den fünfziger Jahren vermißte niemand Weichspüler, Backofensprays, Sanitärreiniger oder WC-Duftverbesserer.
Feststeht: Die meisten Mittel sind überflüssig! Eine vernünftige Reinigung ist oft mit wenigen billigeren Methoden möglich. So reichen ein Handspülmittel, Scheuerpulver und ein milder Allzweckreiniger aus, um Küche, Bad, WC und Fliesen zu reinigen und Flecken aus Teppichböden zu entfernen: verdünnte Essigessenz beseitigt Kalkflecken ebenso gut wie ein WC-Reiniger, und Spiritus mit Petrolether (nicht mit Pyridin!) läßt Fenster und Spiegel blitzen. Mehr Mittel sind für die optische Reinigung nicht erforderlich.

Das eigentliche Problem im Umgang mit Haushaltschemikalien ist jedoch ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit und auf die Umwelt. Nur selten wissen wir überhaupt, was in den einzelnen Chemikalien enthalten ist. Eine Kennzeichnung ist bisher immer noch nicht obligatorisch. Inzwischen ist die Gefährlichkeit einiger, bisher angeblich harmloser Mittel durch eher zufällig erfolgte Untersuchungen der Öffentlichkeit bekannt geworden. Wir wissen um die lebensbedrohliche Wirkung von Formaldehyd, Cadmium, Dioxin, DDT und Lindan, doch wir wissen nicht, in welchen Mitteln diese gefährlichen Stoffe noch immer enthalten sind. Viele der bei uns verbotenen Chemikalien werden von der BRD in andere Länder exportiert, in denen die Bestimmungen nicht gelten, und kommen von dort durch das Endprodukt auf den deutschen Markt zurück. Ein Teufelskreis ohne Ende? Schätzungen besagen, dass es ungefähr 50 000-60 000 Chemikalien auf dem Markt gibt; unbekannt ist, wieviele davon in den Haushaltsprodukten enthalten sind. nahezu unerforscht ist das Zusammenwirken der einzelnen Stoffe.

Bekannt ist immerhin, dass WC- und Sanitärreiniger ganz unterschiedliche Mittel sind, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften keineswegs nacheinander gebraucht werden dürfen. In der Vermischung beider entsteht der Kampfstoff Chlorgas!

Kein Grund zur Panikmache, lassen die Politiker verlauten; nicht alle Stoffe seine lebensbedrohlich. Die Tatsache, dass die Allergien, hauptsächlich auch gegen Reinigungsmittel, immer mehr zunehmen, scheint demnach nicht besonders aufregend zu sein. Offensichtlich ist es nur eine kleine Mißlichkeit, wenn der Kontakt mit den angeblich so harmlosen Mitteln chronische Hautkrankheiten hervorruft, abgesehen von der besonderen Gefährdung der Kinder.

Aber nicht nur unsere eigene Gesundheit ist in Gefahr, unabsehbar sind auch die Folgen für die Umwelt. Wie sehr belasten wir durch die übertriebene Benutzung  von Haushaltsreinigern Abwässer, Hausmüll, Luft und Boden? Die Kombinationsmöglichkeiten, wie sich bestimmte Stoffe auf dem Müllwege vermischen, sind nahezu unbegrenzt. Wir stehen diesen Problemen einigermaßen hilflos gegenüber, zumal wir leider eingestehen müssen, dass es umweltverträgliche Haushaltsreinigungsmittel an sich gar nicht gibt. Wir können, wenn wir bewußter leben wollen, nur auf Produkte ausweichen, die weniger schädlich sind.
Viele Mittel sind erwiesenermaßen überflüssig. dazu gehören WC-Beckensteine und Duftverbesserer; sie enthalten eine Substanz, wie wir sie auch in Insektenvertilgungsmitteln finden und die eigentlich als Sondermüll entsorgt werden müßte. Da die meisten Desinfektionsmittel flüssig sind, schädigen sie auf dem Abwasserweg auch unsere Flüsse und Seen. Die angebliche Desinfektionswirkung dieser Mittel ist zudem gar nicht gegeben.
Kurzum: Es nützt nichts und schadet viel! Dies läßt sich generell für alle Desinfektionsmittel sagen. Einige dieser Produkte enthalten Phenole oder auch Formaldehyd, die die Zellen der Mikroorganismen zerstören sollen. Dummerweise trifft dies auch für die menschlichen Zellen zu. Ebenso gut können wir auf Backofensprays verzichten, die es außer auf Verkrustungen auch noch auf unsere Augen und unsere Atemwege abgesehen haben.

Die Mittel, auf die wir nicht verzichten wollen, sollten wir zumindest sorgsam dosieren. Die Verwendungsanleitungen sind auf den verschwenderischen Verbrauch ausgerichtet! Die Industrie will leben - allerdings auf Kosten aller. Oftmals reicht die Hälfte der vorgeschriebenen Menge völlig aus, viel ist eben nicht gleich besser. So sollte als Allzweckreiniger nur ein Mittel ohne Chlorierte Kohlenwasserstoffe in Frage kommen (wie ein Syndetreiniger, z.B. dor), wenn man nicht auf Schmierseife umsteigen will. das unentbehrliche Scheuerpulver sollte wenigstens kein Chlor enthalten (Alternative: Lavasit Scheuerpulver, Sonett Putzmittel). Sparsamkeit ist auch bei Maschinenspülmitteln angesagt. Diese Produkte enthalten an sich schon aggressivere Chemikalien, weil das mechanische Reinigen ersetzt werden muß. Auf jeden Fall kann der Klarspüler wegfallen. 
Aber auch die handspülmittel sind nicht ganz ungefährlich, weil ihnen sogenannte Klartrockenmittel beigefügt sind, die den Glanz ohne Abtrocknen versprechen. Die Rückstände dieses Mitteln bleiben also auf dem Geschirr zurück und gelangen mit der Nahrung in unseren Körper. Darum ist es ratsam, das Geschirr mit klarem wasser nachzuspülen und abzutrocknen oder zumindest die Dosierung in Grenzen zu halten, indem die Essensreste auf dem Geschirr vor dem Spülen weitestgehend beseitigt werden. Die meisten der benutzen Haushaltsreinigungsmittel können ersetzt werden. der Abflussreiniger, der Verstopfungen behebt, könnte der mechanischen Reinigung durch Saugglocke und Spirale weichen. der Fleckentferner ist meist überflüssig, wenn wir dem Fleck sofort mit Wasser und Seife, Essig, Salz, Salmiak oder Alkohol zu Leibe rücken. Vielfach gilt aber auch: Vorbeugen ist alles. Fußböden und Fenster werden auch mit einem milden Allzweckreiniger sauber. Zur alternativen Möbelpflege eignen sich Bienenwachs oder Leinölfirnis. Für die Teppichreinigung genügt im allgemeinen der Staubsauger. Flecken lassen sich mit Spülmittel entfernen oder mit Waschbenzin. der gesundheitsbedenkliche Metallreiniger sollte bei Aluminium und Edelstahl sowieso nicht zum Zuge kommen, diese Metalle können gescheuert werden. Das geerbte Silberbesteck wird, in Kontakt mit Alufolie in Salzwasser gelegt, auch wieder blank. 

Wer noch mehr über die Gefährlichkeit von Haushaltschemikalien und über Alternativen dazu erfahren möchte, sollte das Buch aufschlagen, aus dem wir die Fakten für diesen Artikel entnommen haben. Es heißt: "Chemie im Haushalt", herausgegeben vom Öko-Institut Freiburg, Katalyse Umweltgruppe, Verein für Umwelt- und Arbeitsschutz, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., erschienen bei Rowohlt in Hamburg 1984 (Preis DM 16,80).

Autorin: Claudia
Ausgegraben von Oda Bianker

(Redaktion Frauenjournal)